Visuelle Zeitschriftengestaltung
Nachrichtenmagazine als multimodale Kommunikationsformen
von Daniel Pfurtscheller
Innsbruck: University Press 2017, 207 Seiten, 34 EUR
ISBN 978-3-901064-49-4
(vo) – Diese Besprechung erschien zuerst in der Zeitschrift „Medien & Kommunikationswissenschaft“ 65(2017)4, S. 794f.
Rezensenten von Werken zur Presseforschung sind nicht verwöhnt. Umso erfreulicher, mal wieder einen lohnenden Neuzugang im Regal begrüßen zu dürfen. Der Autor hat in Innsbruck am Institut für Germanistik promoviert, das Werk ist seine überarbeitete Dissertation.
Die Germanistik entdeckt die Zeitschriftenforschung für sich – eine erfreuliche jüngere Entwicklung. Und betrachtet diese zunächst aus ihrem ganz eigenen Blickwinkel in einer radikalen Konkretisierung, die gar eine (linguistische) Theorie der Zeitschrift als Gegenstandstheorie anstrebt (vgl. hierzu den Sammelband „Illustrierte Zeitschriften um 1900“, 2016). Nicht alle Forscher verbleiben eng bei literaturwissenschaftlichen und medienlinguistischen Aspekten. Das Repertoire wird um medienwissenschaftliche Fragestellungen erweitert, kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse werden auf ihre Kompatibilität geprüft.
Zeitschriftengestaltung ist ein Thema, dem sich die kommunikationswissenschaftliche Presseforschung nur selten genähert hat. Eher schon waren es Designer, Kunsthistoriker oder Germanisten, die von Fall zu Fall Erkenntnisse veröffentlicht haben. Als allerdings der Münsteraner Literaturwissenschaftler Winfried Nolting seine Überlegungen zum „Jargon der Bilder“ des STERN im September 1976 der versammelten STERN-Redaktion auf deren Bitte hin vortrug, war er froh, dass er „noch einmal heil, zumindest was seine Haut angeht, davonkam“ (Nolting 1981:11). Soviel Sprengkraft kann Blattkritik mittels Methoden der Literaturanalyse haben.
Heute geht es in der Regel harmloser zu – die Wissenschaft stellt keine Praxis radikal infrage, sondern will deren Funktionsweise ergründen, analysieren auf theoretischer Grundlage erklären, mitunter auch Handlungsmöglichkeiten ableiten. Was nun treibt den Autor des zu rezensierenden Werkes an? „Die Entwicklung eines handlungstheoretischen Zugriffs auf multimodale Kommunikationsprozesse und dessen empirische Erprobung soll typologische Aussagen über charakteristische Merkmale der untersuchten Nachrichtenmagazine ermöglichen.“ (S. 12f.). Entsprechend dieser Zielsetzung gliedert sich das Werk in die fünf Hauptkapitel „Zeitschriften“ (34 Seiten), „Multimodalität“ (36 Seiten), „handlungstheoretische Rekonzeption“ (10 Seiten), „visueller Zeitschriftengestaltung und kommunikativer Handlungsspielraum“ (20 Seiten) sowie in „Nachrichtenmagazine als multimodale Kommunikationsformen“ (56 Seiten).
Das Kapitel Zeitschriften bilanziert kompakt und schlüssig den Stand der Forschung sowohl hinsichtlich der systematischen Klassifizierung als auch hinsichtlich der seltenen Arbeiten über visuelle Gestaltungsmerkmale. Als zentrales Defizit der visuellen Forschung benennt Pfurtscheller das Fehlen einer linguistisch-kommunikationsanalytischen Fundierung (S. 37). Diese sieht er im Konzept der Multimodalität. Es wurde vom englischen Sozialsemiotiker Gunther Kress und dem australischen Linguisten Theo van Leeuwen Ende der 90er Jahre aus der Wahrnehmungspsychologie adaptiert und begreift Medien eben nicht einfach als Ausspielkanäle für Inhalte. Vielmehr prägt die je spezifische Kombination der angebotenen semiotischen Stimuli/Modi/Ressourcen entscheidend die Sinnzuweisungen ihrer Nutzer mit. Dabei gilt es, analytisch Medien als Texte und nicht als Objekte zu betrachten. Besonders Hans-Jürgen Bucher hat das Konzept in Deutschland aufgegriffen und in seinen Forschungen entfaltet. Pfurtscheller stellt den Begriff zunächst vor und befasst sich dann näher mit dem Aspekt des multimodalen Verstehens. Hierbei ist die Crux, dass sowohl das Produkt als auch die Disposition des Rezipierenden verstehensrelevante Bausteine aufweist – generelle Zuordnungen sich aber aufgrund des dynamischen Deutungsprozesses der beteiligten Modi verbieten. Daher suchen die Semiotiker nach Beziehungsregeln (Typen/Designs) zwischen den Modi.
Der im folgenden Kapitel präsentierte handlungstheoretische Rahmen ist allerdings kein sozialer (Habermas), sondern ein linguistischer (Fritz, Muckenhaupt). Dabei wird Kommunikation als Handlungsprozess gesehen, bei welchem der Produzent kommunikative Aufgaben bewältigt, der Rezipient Verstehensprobleme. Beides spannt einen kommunikativen Handlungsspielraum auf, den der Autor nun für Zeitschriftenausstattungen näher untersucht. Dazu systematisiert er die angewandten Elemente (Ausdrücke, Bilder, gestalterische Komponenten) als Bausteine der Zeitschriften. Für die Schrift-, Bild- und Seitengestaltung (Editorial Design) sowie den Heftaufbau werden vielfältige Elemente aufgefächert und auch exemplarisch visualisiert.
Das auf diese Weise entstandene Bausteinsortiment erprobt der Autor aschließend exemplarisch an vier Nachrichtenmagazinen der Jahre 2013 und 2014. Typische Bausteine werden auf Beitragsebene identifiziert und unter die Funktionen Personen-, Orts-, Zeit- und Textbezug einsortiert. Anschließend werden visuelle Bausteine (Kompositionen) übergreifend analysiert. Diese Analysen und ihre Wiedergabe führen aufgrund des ausgeführten Ansatzes inhaltsanalytisch zu erfrischend innovativen Wegen. Eine derartige Sortimentsbildung ist sicherlich auch für inhaltsanalytische Vorhaben ein Gewinn, die ansonsten dem theoretischen Ansatz nicht folgen wollen. Sie könnte der Grundstock für ein neues methodisches Instrumentarium werden. Für die Vermessung der Zeitschriftenlandschaft wären Folgearbeiten auch in anderen Pressesegmenten wünschenswert.
Die Arbeit ist sprachlich sehr klar und verständlich formuliert, vorbildliche Einleitungen und Zusammenfassungen unterstützen den Gedankengang. Das Werk dokumentiert freilich zugleich, wie lang und steinig der Weg zu einer umfassenden semiotischen multimodalen Analyse sein dürfte, betrachtet es doch zunächst „nur“ die Bausteine der Produzentenseite. Welche Rolle daher dieser semiotische Zugang zukünftig in der Praxis der Rezeptionsforschung spielen kann, ist damit auch eine Frage der zur Verfügung stehenden Forschungsressourcen.