Medienstress durch Smartphones?

Medienstress durch Smartphones?

Eine quantitative und qualitative Analyse

von Jana Hofmann

Köln: Herbert von Halem Verlag 2018, 264 Seiten, 32 EUR
ISBN 978-3-86962-316-0

 

(md) Das Dauerthema Digitalisierung bildet auch in einer weiteren Neuerscheinung den Hintergrund einer Thematik, die jeder bei sich selbst beobachten kann und die bereits viele kulturpessimistische Befürchtungen ausgelöst hat: Was macht die ständige Vernetzung und Mediennutzung durch Smartphones mit uns? Löst sie Stress aus? Werden wir davon krank?

Jana Hofmann, die mit ihrer Abhandlung „Medienstress durch Smartphones?“ an der Philosophischen Fakultät Erfurt promoviert wurde, nähert sich der Problematik durch eine Rückschau in die Mediengeschichte, Medientheorie und Soziologie. Bereits unsere Vorfahren kannten das Gefühl der Überforderung, etwa angesichts „der schreckerregenden Vielzahl von Büchern, die ständig zunimmt“ (Gottfried Wilhelm Leibniz, 1680, Zitat auf S.56). Auch das Empfinden einer unzumutbaren Beschleunigung im Alltagshandeln durch technische Geräte wie z.B. durch die Einführung des Telegrafen, gab es schon weit vor dem digitalen Zeitalter (S.33). Dass mit dem Smartphone erstmals sämtliche Medien in einem Gerät und zudem ohne Ortsbindung zur Verfügung stehen, bedeutet jedoch eine deutliche Leistungssteigerung in der Medienevolution.

In ihrer theoretischen Verortung vertritt Hofmann das Konzept des mündigen Nutzers: „Der Impuls zur beschleunigten Handlung geht vom Menschen aus.“ (S.33) Nicht die technischen Innovationen zwingen uns ein Handeln auf, sondern wir entscheiden uns aus verschiedensten Gründen dafür, sie zu nutzen. Allerdings kommen hier die gesellschaftlichen Erwartungen ins Spiel: „Es wird sozialkulturell vorausgesetzt, dass Anwendungen genutzt und Kommunikate jederzeit und nahezu überall abrufbar sind und auch abgerufen werden.“ (S.74) Medienabstinente müssen sich tendenziell heute rechtfertigen. Für die einen besteht der Stress in der permanenten Erreichbarkeit, andere sind gestresst, wenn sie aus irgendeinem Grund keinen Empfang haben und vom Datenstrom abgeschnitten sind.

Die Autorin hat die Zusammenhänge zwischen Smartphone-Nutzung und individuellem Stress-Empfinden sowohl quantitativ mit einer repräsentativen Befragung als auch qualitativ mit Medientagebüchern und vertiefenden Einzelinterviews untersucht.

Die Ergebnisse geben einerseits Entwarnung, da der Anteil „chronisch gestresster“ Smartphone-Nutzer längst nicht so hoch ist, wie in der öffentlichen Diskussion oft suggeriert wird – etwa jeder sechste der Befragten war in dieser Gruppe zu verorten. Vielmehr zeigt sich, dass die Nutzer sehr wohl reflektieren, wie sie mit dem Smartphone umgehen und für stressuale Erlebnisse auch Bewältigungsstrategien entwickeln. Hier wird auch die Doppelfunktion des Geräts, das auch zur Entschleunigung und Zerstreuung nutzbar ist, betont. Auch sei der Medienstress nicht losgelöst vom allgemeinen Alltagsstress zu betrachten: Wen das Smartphone stresst, der ist auch ansonsten ein „vielbeschäftigt Kommunizierender“.

Wichtigste Gründe ein Smartphone zu nutzen, sind das Gefühl stets „informiert“ zu sein und jederzeit andere erreichen zu können. Die sinnvolle Nutzung von Wartezeiten steht an dritter Stelle der Vorteile, die Nutzer den Geräten zuschreiben. Als die größten Stressfaktoren werden zu viele E-mails, zu viele Nachrichten auf sozialen Netzwerken und zu viele Nachrichten der Messanger-Dienste genannt. Zeit, Menge und Relevanz erweisen sich hier als entscheidende Faktoren.

Problematisch wird es für die Nutzer erst, wenn Ressourcenkonflikte, also ein Abwägen zwischen möglichen Gewinnen und Verlusten bei parallel laufenden Handlungen, nicht mehr auflösbar sind und sich verstetigen. Dann ensteht das Stress-Empfinden.

Hofmann plädiert für einen öffentlichen Diskurs über den Umgang mit „digitalen Mediengeräten“. Politik, Pädagogik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sind aufgerufen, Leitbilder, Handlungsempfehlungen und auch Normen herauszubilden, die „im Sinn erwünschter Zustände zur Steigerung des Gemeinwohls“ (S.222) führen. Dazu würde etwa der verantwortungsvolle Umgang von Politikern mit ihren Smartphones z.B. bei Debatten im Bundestag zählen, oder in der Wirtschaft etwa ein ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement, das Zeiten der Nicht-Erreichbarkeit bzw. des „Abschaltens“ festlegt.

Fazit: Eine insgesamt gut lesbare Studie, die viele Aspekte des Themas abwägt, das eigene Vorgehen stets reflektiert und – längst nicht selbstverständlich – bestrebt ist, die Ergebnisse in Empfehlungen umzusetzen.

(Diese Rezension erschien zuerst in impresso, Ausgabe August 2018)

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