Der Kampf gegen das Presse-Imperium

Der Kampf gegen das Presse-Imperium

Die Anti-Springer-Kampagne der 68er-Bewegung

von Dae Sung Jung

Bielefeld: transcript 2016, 372 Seiten, 34,99 EUR
ISBN 978-3-8376-3371-9

(vo) Im Juni  2017 jährt sich zum 25. Mal das Attentat und der Tod von Benno Ohnesorg – Auslöser der Anti-Springer-Kampagne, die bis nach Ostern 1968 anhielt.

Diese Dissertation im Fach Geschichte will klären, was die Anti Springer Kampagne eigentlich war, welche Rolle sie für die 68 Bewegung in der Bundesrepublik spielte und welche Bedeutung sie während und nach 1968 einnahm. Dazu untersucht der Autor die Vorgeschichte, Entstehung und Verlauf sowie das Ende und die Auswirkungen der Kampagne. Zunächst wendet sich der Autor gegen ein Verständnis der Kampagne als rein studentische Kampagne. Er betont, dass sie sei eine der wesentlichsten Kampagnen der 68er Bewegung gewesen sei. Zudem sei der Schlachtruf „Enteignet Springer“ zwar die wichtigste und berühmteste Parole der Kampagne gewesen, aber keine ernsthafte Forderung.

Der Autor rekonstruiert die Kampagne auf der Basis einer empirisch betriebenen Geschichtswissenschaft, er hat hierzu mehrere tausend Dokumente aus den beiden Archiven „APO und soziale Bewegungen“ an der FU Berlin sowie dem Axel Springer Unternehmensarchiv  analysiert.

Das Vorspiel begann mit einer diskreditierenden Lüge der Springer Zeitung Berliner Morgenpost im Dezember 1964. Als Berliner Studierende gegen den Besuch des kongolesischen Ministerpräsidenten Tschombé bei Bürgermeister Willy Brandt demonstrierten, behauptete die Zeitung, die Studierenden hätten Ost-FDJ-ler zum Protest eingeladen. Tschombé war unmittelbar und im Komplott mit CIA und MI6 an der Ermordung seines Vorgängers beteiligt. Acht Monate später begann die Berliner Springer-Presse eine zweimonatige Kampagne „AStA auf SED-Kurs“ gegen die beiden Vorsitzenden des FU-AStAs. Sie hatten einen Aufruf „Frieden für Vietnam“ einer Umfeldorganisation der Westberliner SED unterzeichnet, die Berichterstattung führte zu ihrer Ablösung.

Im April 1967 folgte die nächste krasse Lüge der Springer-Presse. Anlässlich des Besuches des amerikanischen Vize Präsidenten in Berlin fertigten Bild-Zeitung und Berliner Morgenpost aus einer sich als haltlos erweisenden Polizeimeldung Schlagzeilen wie: „FU-Studenten fertigten Bomben mit Sprengstoff aus Peking“. Tatsächlich hatte die Kommune Eins Mehl- und Farbbeutel vorbereitet. Die Falschmeldungen blieben dauerhaft unkorrigiert, stattdessen betätigten sich die Springer-Blätter weiterhin als Scharfmacher staatlichen harten Vorgehens gegen jegliche „Störer“.

Mit der Erschießung von Benno Ohnesorg am 2.6.1967, der Verdrehung und Vertuschung des Vorfalls und der folgenden Springer-Berichterstattung begann der Mobilisierungsprozess gegen den Konzern, der in seinen Blättern die politische Führung in Berlin bei der Schuldzuweisung des Todes an die Demonstranten unterstützte und bestärkte.  Auf einer Trauerfeier des AStA der Universität Bonn für Ohnesorg beschrieb zeitgenössisch sogar der Politikwissenschaftler und Historiker Professor Karl Dietrich Bracher den Tod Ohnesorgs als „bewussten Terror gegen Andersdenkende“. Bracher fuhr fort: „Liest man die Presse des Springer Konzerns mit ihrem vielfältigen Ausläufern, die so viel Mitschuld an der Radikalisierung des politischen Klimas trägt, so wird man an die Hetzkampagnen der Hugenberg Presse erinnert, an der die Weimar Republik zerbrach.“

Die von Jung angeführten Zitate der Springer-Presse vom 3.6.67 und in den Folgetagen sind auch heute gelesen nur schwer zu ertragen. Sie „dichtete, erfand, log“, wie auch Sack/Steinert 1984 in einer gründlichen Inhaltsanalyse resümierten. Zugleich wird auch deutlich, dass die gewalttätigen Aktionen von Dutschke und Anderen zu Ostern 1968 das Ende der Kampagne verursacht haben.

Fazit: Jung hat eine unbedingt lesenswerte Studie vorgelegt, die im Duktus weniger wissenschaftlich als historisch erzählend daherkommt. Sie zeigt auf, wie abstrus die jüngeren Versuche der Reinwaschung und Rechtfertigung aus dem Springer-Konzernzentrale gemessen an den historischen Tatsachen sind.

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