Frauenzeitschriften aus der Sicht ihrer Leserinnen
Die Rezeption von „Brigitte“ im Kontext von Biografie, Alltag und Doing Gender
von Kathrin-Friederike Müller
Bielefeld: Transscript-Verlag 2010. 455 Seiten, 34,80 Euro, ISBN 978-3-8376-1286-8. (=Critical Media Studies Band 5)
(do) Der Untertitel verrät, dass es hier doch nicht um Frauenzeitschriften im Allgemeinen sondern um die Rezeption von „Brigitte“ geht, „im Kontext von Biografie, Alltag und Doing Gender“. Also ein weiteres Buch über „Brigitte“, die inzwischen als am meisten „beforschte“ Publikumszeitschrift der Bundesrepublik gelten darf. Allerdings stehen in der Regel inhalts- und rezeptionsbezogene Fragestellungen im Mittelpunkt, während die Forscherinnen beispielsweise für die wirtschaftliche Entwicklung des traditionellen Frauentitels oder die Entwicklung des gesamten Marktes der Frauenzeitschriften nach wie vor wenig Interesse zeigen.
Es geht also wieder einmal um weibliche Lebenszusammenhänge, Alltagskultur und Geschlechterrollen. Die Autorin, die mit der vorliegenden Arbeit an der Universität Lüneburg promovierte, verfolgt den Ansatz der Cultural Media Studies und der medienbiografischen Forschung. Die Untersuchung basiert auf 19 Tiefeninterviews mit regelmäßigen Brigitte-Leserinnen, die insbesondere nach Alter, Beruf und Bildungsniveau ausgewählt wurden. Die bis zu dreistündigen Interviews wurden mit einem Copytest verbunden.
Lesenswert ist insbesondere das Kapitel „Gegenstand und Stand der Forschung“ – hier wird auch der Wandel in der Forschung über Frauenzeitschriften thematisiert – vom generellen Manipulationsverdacht hin zu differenzierteren Konzepten. Die Autorin schließt sich hier der Auffassung an, dass Rezipientinnen sich aktiv mit Medieninhalten auseinandersetzen und mit der Lektüre auch eigene Bedeutungen hervorbringen.
Die Interviews werden mit ausführlichen Zitaten in die Abhandlung einbezogen. Ein wesentliches Fazit ist, dass die Leserinnen sich durch die Lektüre von „Brigitte“ in ihrer weiblichen Geschlechterrolle verorten. Sie bevorzugen dabei Inhalte, die ein in ihrem Sinne positives Frauenbild vermitteln. Die Lektüre ergänzt für sie Rollen-Aspekte, die sie realiter nicht ausleben, aber dennoch als Teil des Frauseins empfinden.
„Frauen haben deshalb von Männern abweichende Medieninteressen, weil sie sich über Inhalte, die primär Aspekte der weiblichen Geschlechterrolle thematisieren, hinsichtlich der Ausdrucksfähigkeit von Frausein in gesellschaftlichen Bezügen orientieren.“ (S.392) Das Zitat veranschaulicht, dass eine Rezeption des Buchs nicht gerade zum Lesevergnügen gerät. Auf immerhin 400 reinen Textseiten wird sehr ausführlich und mit vielen Wiederholungen argumentiert, der Jargon der CMS trägt zu Verkomplizierung eigentlich recht schlichter Sachverhalte dar.
Nach der Mühsal der Forschungsarbeit zeigt sich wie so oft, dass die spannenden Fragen am Rande der gewählten Thematik liegen: Wie bewerkstelligen eigentlich Frauen ihr „Doing Gender“, die keine Frauenzeitschriften lesen? (S.386) Und welche „Aneignungspraktiken“ haben die Leserinnen anderer Titel? Ganz zu schweigen von der Frage, was Frauen sonst noch alles im Rahmen ihres Medienmenüs konsumieren.