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Verwissenschaftlichung der Gesellschaft – Vergesellschaftung von Wissen

hrsg. von Sigrid Stöckel und Wiebke Lisner und Gerlind Rüve

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009. 254 Seiten, 34 EUR, ISBN 978-3-515-09342-2

(av) Dieser Sammelband geht auf einen Workshop aus dem Jahr 2006 zurück. Im Rahmen eines historisch ausgerichteten DFG-Forschungsprojektes „Wissenschaft, Politik und Gesellschaft“ haben sich die Bearbeiter auch mit wissenschaftlichen Fachzeitschriften befasst.

Die elf Beiträge sind ohne eine Einbindung in die Erkenntnisse der  Presseforschung aus der Medien- und Kommunikationswissenschaft entstanden. Weil diese sich eher selten mit der wissenschaftlichen Fachpresse als Gegenstand befasst, stört dies nicht allzu sehr. Aber besonders dem einleitenden Artikel fehlen, zudem bei einer Diskussion „Zeitschriften – eine Sonderform der Zeitung?“, in einigen Passagen Erkenntnisse der aktuellen Presseforschung. Auch werden die Grenzen des „Genres“ eher weit gefasst.

Vier Beiträge beziehen sich auf die medizinische Fachpresse, zwei auf landwirtschaftliche Titel. Weiterhin werden neben der Historischen Zeitschrift und der Rechentechnik/ Datenverarbeitung (DDR) auch Bild der Wissenschaft und Science/Nature jeweils ein Beitrag gewidmet.

Als Ausgangspunkt der Analysen wird zutreffend die Weiterentwicklung der Disziplinen als Grundfunktion der Fachpresse benannt. Die Beiträge wollen den Interdependenzen zwischen Publikationen, Wissenschaftsbetrieb, Berufspraxis und gesellschaftlichem Umfeld nachspüren. Dabei kehren die Begriffe Verwissenschaftlichung, Professionalisierung und Ausdifferenzierung als Schlüsselaspekte immer wieder. Der konkrete Ertrag der Fallstudien ist recht unterschiedlich. Zwar wird durchgängig die Wichtigkeit der Fachpresse für die Entwicklung der Professionen bestätigt. Häufiger fehlt es aber an der Darstellung presserelevanter Aspekte: Verlagssituation, Herstellung, Vertrieb. Auch werden ökonomische und technikgeschichtliche Rahmenbedingungen vernachlässigt.  Einigen Beiträgen ist anzumerken, dass sie eher als Annexe der organisationsbezogenen historischen Forschungen entstanden sind.

Der mitunter aufgestellte Anspruch, auf konkrete Wirkungen auf Leserschaften (Selbst­vergewisserung, Beeinflussung) aus Inhalten zu schließen ist aus Sicht der Presseforschung ein problematischer Ansatz. Methodisch wären hierfür weitere Quellen als Belege dringend erforderlich.

Positiv besonders hervorzuheben sind zwei Beiträge: Der dichte Artikel von Frank Uekötter über landwirtschaftliche Wochenblätter. Er zeigt – nah an den Inhalten- Konzepte, Themen und Funktionsweisen lebendig und nachvollziehbar über einen Zeitraum von 80 Jahren auf. Auch lesenswert: Ein Konzeptvergleich zweier wiedergegründeter medizinischer Wochenschriften im Nachkriegsdeutschland von Sigrid Stöckel.