Die Neuordnung des Journalismus
Eine Studie zur Gründung neuer Medienorgansiationen
von Christopher Buschow
Wiesbaden: Springer 2017, 447 Seiten, 59,99 EUR
ISBN 978-3-658-18872-6
(av) Es ist schwierig, einem Werk gerecht zu werden, dessen Substanz unter 442 Seiten derart stark vergraben wurde, dass sie nur mit großem zeitlichen Aufwand auffindbar wird. Ganz ehrlich: Der Rezensent hätte das Werk am liebsten wieder aus der Hand gelegt, weil hier unredigiert eine Dissertation einfach zwischen zwei Deckel gepresst wurde. Leserführung Fehlanzeige und auch die mit „Zusammenfassung“ überschriebenen Kapitel fassen im Grunde nichts zusammen.
Der Autor hat seine Erkenntnisse deutlich verständlicher (und kompakter) in einem Wettbewerbsbeitrag für die Körber-Stiftung formuliert, für den er einen 2. Preis beim Deutschen Studienpreis 2017 erhalten hat.
Kommen wir zum Inhalt: Der Autor untersucht „Neugründungen, mit dem Ziel, ihren Einfluss auf die Praxis des Journalismus zu rekonstruieren“. (S: 5). Da Journalismus „rapiden Veränderungen“ unterliege, spürt der Autor bei fünfzehn, leider namentlich nicht gelisteten Unternehmen empirisch nach, wie sie sich organisieren und hierdurch die Praxis des Journalismus verändern. Methodisch und theoretisch nutzt der Autor einen „strukturationstheoretischen Bezugsrahmen“: „Handlungs- und Strukturebene werden in der rekursiven Denkfigur der Dualität von Handeln und Struktur verschränkt, sodass die in dieser Studie als relevant identifizierten Analyseebenen in ihrer spezifischen Verbundenheit abgetragen werden können.“ (S. 94).
Der Ansatz impliziert allerdings eine sehr fragliche behauptete Statik der etablierten Presseverlage, deren „industrieller Produktionsmodus“ sich in den letzen 130 Jahren verstetigt habe (vgl. S. 114). Die Beobachtung des Rezensenten ist allerdings eine andere: Konzerne und Verlage haben sich immer wieder in ihren Organisationsformen modifiziert. Die Redaktionen haben in den letzten 20 Jahren zunehmend die Bindung an die Herausgabe genau einer Publikation verloren, die Erosion von Stammredaktionen schreitet immer rascher voran und wird zunehmend durch ganz neue Organisationsmodelle abgelöst. Aber dies ist auch nicht das Forschungsfeld des Autors: Er verengt sich auf neue Unternehmen. Das ist einerseits legitm, andererseits wird dadurch jegliche Aussage gewagt, die eine Neuordnung des Journalismus wesentlich durch neue Unternehmen behauptet.
Nach dem Auffächern der untersuchungsrelevanten Dimensionen und der Darstellung des methodischen Vorgehens formuliert der Autor seine empirischen Erkenntnisse. Danach sind Neugründungen „kaum Veranstaltungen der Kapitalverwertung: Pekuniäre Ziele verbinden ihre Gründer mit ihnen nur sehr nachgeordnet, Idealismus überwiegt.“ (267) Die Institutionalisierung ist mitunter ein nichtintendierter Effekt in der Folge des eigenen journalistischen Handelns. Auch dieses ist kein neues Phänomen: Immer wieder sind (erfolgreiche) Verlage dadurch entstanden, dass sich Journalisten ohne ökonomische Kenntnisse und ausgefeilten Businessplan die Herausgabe in das Abenteuer einer ersten Zeitschrift gestürzt haben – einfach, weil sie dies wollten, konnten und Geld für ein erstes Heft aufgetrieben hatten. Selbst große mittelständige Verlagshäuser sind in vergangenen Zeiten nicht direkt aus einem „industriellen Produktionsmodus“ (vgl. S. 296) heraus entstanden.
Spannend bleibt die Frage, ob Buschow mit seiner These recht behält, die er aus der Untersuchung seiner Sample-Gründungen gewinnt: „In der Entwicklung digitaler Netzwerkmedien wird er [der industrielle Netzwerkmodus, A.V.] heute sukzessive von einem vernetzten Produktionsmodus ersetzt“ (S. 351). Bisher sind – betrachtet man die Medienbranche insgesamt – noch keine solche Verdrängungen erkennbar. Im Gegenteil zeigt sich: Konzerne bestimmen das Bild der digitalen Medienwelt und wachsen weiter. Auch, indem sie Innovatoren aufkaufen. Und die Vernetzung findet dabei innerhalb der Konzerne statt. Wie steht im jüngsten Burda-Geschäftsbericht: „Burda versteht sich als „Unternehmen für Unternehmer“ und ist daher in einer dezentralen Proficenter-Struktur organisiert. Gleichzeitig können die Unternehmen in mehreren Querschnittsdisziplinen vom Größenvorteil des Gesamtkonzerns profiieren und jederzeit auf das starke Netzwerk Burdas zugreifen, um die eigenen Geschäfte voranzubringen.“ Die Übertragbarkeit von Buschows Erkenntnisse auf die gesamte Branche muss sich somit erst noch erweisen.