presseforschung.de

Rezensionen zu Neuerscheinungen 2000 - 2001

 

     
    Küpper, Norbert
    Die Ergebnisse des zweiten European Newspaper Award 2000.
    Meerbusch: Büro für Zeitungsdesign 2001. 191 Seiten, 35 Euro, ISBN 3-00-008517-3.

    (vo) Wie bereits für das Jahr 1999 dokumentiert Küpper in diesem querformatigen Buch die Highlights des Zeitungsdesign-Wettbewerbs 2000. Am Wettbewerb hatten sich 221 Zeitungen aus 21 europäischen Ländern beteiligt. Veranstalter sind die Journalisten-Zeitschriften Medium Magazin (Deutschland), De Journalist (Niederlande) und Der Österreichische Journalist. Zweierlei Arten von Auszeichnungen werden in Aachen vergeben: "Best Designed Newspaper" in den Kategorien Lokalzeitung, Regionalzeitung, überregionale Zeitung und Wochenzeitung. Zudem "Awards of Excellence" z.B. für Titelseiten, Innenseiten, Beilagen, Sonderseiten, Infografik etc. Gesucht wurden jeweils niveauvolle, konsequente, eigenwillige, unverwechselbare und im weitesten Sinne innovativ gestaltete Seiten.

    Aus den Trends: In der Typografie nehmen klare Seitenlayouts mit vermehrten Einsatz von weißer Fläche zu. Immer mehr Farbe wird in die Blätter gehoben, wenngleich längst noch nicht alle Seiten vierfarbig erstellt werden können. Den Fotos wird mehr Aufmerksamkeit zuteil, ihre prägende Rolle im Gesamtlayout wird stärker erkannt als früher. Infografiken stehen seltener in starren Rahmen, sie verschmelzen mit Fotos, Texten und Überschriften. Artikel werden vermehrt in gut lesbare Stücke gegliedert, dieses Positionieren schafft Übersicht.

    Der Hauptteil des Werkes dokumentiert die Preisträger und begründet die Auswahl gerade dieser Zeitungen. Für jeden Preisträger stehen drei bis neun Seiten zur Verfügung, hierdurch erhält der Leser einen profunden Eindruck der jeweiligen Zeitung. Deutsche Titel finden sich natürlich auch unter den Gewinnern, u.a. wurde "Die Woche" zur besten Wochenzeitung gekürt. Eine Übersicht über die Preisträger zählt 136 Auszeichnungen auf. Da einzelne Titel mehrere Auszeichnungen erhalten haben, reduziert sich die Gesamtzahl auf 91 Zeitungen. Dieses kompakte Buch gibt - gerade auch durch die vielen Abbildungen - einen in der Tat "ausgezeichneten" Einblick in die Trends des aktuellen Zeitungsdesigns.

    Die Awards 2001 wurden übrigens am 22. November 2001 verkündet und am 1. Februar 2002 in Aachen vergeben. Informationen hierzu finden sich unter www.newspaperaward.com.
    zurück

    Daschmann, Gregor
    Der Einfluß von Fallbeispielen auf Leserurteile. Experimentelle Untersuchungen zur Medienwirkung.
    Konstanz: UVK 2001. 364 Seiten, 29 Euro, ISBN 3-89669-330-1

    (do) Die Dissertation aus dem Bereich der Wirkungsforschung geht von dem in der Sozialpsychologie beobachteten und erforschten Phänomen aus, dass Menschen sich in ihrer Urteilsbildung von Einzelfällen stärker beeinflussen lassen als von statistischen Angaben über einen Sachverhalt. Der geringere kognitive Aufwand in der alltäglichen Informationsverarbeitung wird hierfür als Grund betrachtet.

    In der Medienberichterstattung sind Fallbeispiele ein gängiges Stilmittel - sie dienen jedoch nicht nur der Illustration sondern ersetzen häufig auch fehlende Belege. Der Autor hat sieben Laborexperimente durchgeführt, um die Wirkung von Fallbeispielen in journalistischen Texten auf die Rezipienten zu untersuchen. Dem geht u.a. eine ausführliche Schilderung sozialpsychologischer Begriffe und Zusammenhänge sowie ein Forschungsbericht voraus.
    Die Experimente sind in Kapitel 7 nach Fragestellung, Hypothesen, Methode und Ergebnissen systematisch dokumentiert. Durchgeführt wurden sie an Studenten der Universität Mainz mittels unterschiedlich variierter Zeitschriften- bzw. Zeitungsartikel. Die Experimente bestätigen, dass Fallbeispiele in Medienberichten die Urteile der Rezipienten stärker beeinflussen als summarische Aussagen. Ihre Wirkung vollzieht sich unterschwellig. Für einen Zusammenhang der Lebhaftigkeit von Fallbeispielen und ihren Wirkungen ergab sich kein Beleg. Ebenso wenig ist die Personalisierung in Fallbeispielen ein Wirkungsfaktor.
    Letztlich bestätigen die Experimente den bereits eingangs erwähnten grundlegenden Mechanismus menschlicher Kognition. Für die Medienkommunikation ergibt sich daraus ein nicht wünschenswerter Effekt: "Somit werden die Unzulänglichkeiten menschlicher Urteilsbildung durch Medienpräsentationen nicht reduziert, sondern systematisch potenziert. Medienrationalität und Alltagsrationalität stehen somit in einem dilemmatischen Verhältnis". (S.328) Forderungen nach Konsequenzen für den Journalismus hält Daschmann jedoch für unrealistisch und angesichts der Freiheit der Medien auch nicht angemessen.

    Diese Arbeit verbesert das Verständnis medialer Kommunikation, lässt den Leser aber dennoch ratlos mit der Frage zurück, wie solche Forschungsergebnisse fruchtbar zu machen wären.
    zurück

    Breyer-Mayländer, Thomas
    Wirtschaftsunternehmen Verlag. Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsverlage: Distribution, Marketing, Rechtsgrundlagen, Redaktion/Lektorat. Mit Beiträgen von Ulrich Ernst Huse, Michaela von Koenigsmarck und Roger Münch.
    Frankfurt a.M.: Bramann Verlag. 2. Auflage 2001, 363 S. 31 Euro. ISBN 3-934054-12-9

    (md) "Wirtschaftsunternehmen Verlag" positioniert sich sowohl als Lehrbuch für Verlagskaufleute (Anlehnung an die Lernfelder 3, 4, 6, 7, 8 des Lehrberufs) als auch als Nachschlagewerk für "Entscheidungsträger" (Klappentext). Dabei besteht der Anspruch, alle wesentlichen Funktionsbereiche - Redaktion, Lektorat, Marketing, Vertrieb, Controlling - für Buchverlage wie für Zeitungs- und Zeitschriftenverlage gleichermaßen abzuhandeln und die jeweiligen Spezifika zu berücksichtigen. Ein einführendes Kapitel über die "Bedeutung des Verlagswesens" umreißt das Spannungsfeld von gesellschaftlicher Kommunikation, Kultur und Wirtschaftsgut, in dem sich Presseprodukte bewegen und gibt auch einen Ausblick auf die durch die neuen Medien veränderten Rahmenbedingungen des Verlagsgeschäfts. Das Unterkapitel 1.4. "Aktuelle Zahlen zur Verlagsbranche" bringt zwar Daten zum Büchermarkt, zu Zeitungen und zur Fachpresse. Die Publikumspresse - um die es im folgenden doch auch immer wieder geht - fehlt jedoch.

    Die einzelnen Großkapitel sind in unterschiedlichem Maße gelungen. Sehr gut strukturiert, ansprechend formuliert und mit erhellenden Beispielen durchsetzt ist etwa 3. "Arbeiten im Lektorat". Auch Kapitel 4 über das Urheber-, Verlags- und Presserecht wird allen Anforderungen eines anspruchsvollen Lehr- und Nachschlagewerks gerecht und empfiehlt sich den Lesern, die sich über diesen Bereich einen raschen Überblick verschaffen wollen. Schwächer hingegen die Ausführungen zur Marktforschung. Hier fehlen etwa Aspekte wie die Organisation der Marktforschung im Verlag, Marktforschungsziele oder auch die in der Praxis relevante kontinuierliche Konkurrenzbeobachtung. Kapitel 7 "Online-Marketing" der Presseverlage geht mit seinem Schwerpunkt auf der Werbeträgerleistung des Internet am Thema eher vorbei. Funktionen des Internet-Auftritts für die Kommunikationspolitik von Verlagen etwa werden hier gar nicht thematisiert.

    "Wirtschaftsunternehmen Verlag" kann mit seinem grundlegenden Aufbau und einzelnen Kapiteln bereits als Standardwerk gelten. In einzelnen Teilen - insbesondere im Bereich Online - wird es weiter aktualisiert und optimiert werden müssen.
    zurück

    Deutsche Fachpresse (Hrsg.):
    Jahrbuch 2001 der Fachinformation
    Bonn: VDZ 2000. 208 Seiten, 39 DM, ISBN 3-931940-05-5

    (av) 39 Autoren haben diesmal mit zumeist zwei- bis vierseitigen Artikeln zum jährlichen Branchenüberblick beigetragen. Schwerpunkt ist wieder das Thema Neue Medien. Der Geschäftsführer der Deutschen Fachpresse, Walter Welker, zieht als Fazit der bisherigen schwierigen Erfahrungen "dass die elektronische Variante des Verlagsgeschäftes eigentlich nur Zusatz sein kann" (8). Dennoch postulieren die einschlägigen Beiträge, dass sich das Verlagsgeschäft durch die elektronischen Datenwelten wandeln muss und verändern wird. Aktuelle Schlagworte hierfür sind zum Beispiel "Community Organizing", "Multimedia-Dienstleister" oder "Content Broking".
    In den einigen Artikeln werden Weiterentwicklungen unterschiedlicher Aspekte der Onlinewelt geschildert: Email, Werbung, DOI, IVW-Messverfahren, Differenzrecherche Offline/Online. Andere diskutieren (bekannte) Geschäftsmodelle eher mit Hoffnungen denn mit harten Prognosen. Mitunter werden auch Beispiele lobend erwähnt, die neun Monate später bereits wieder eingestampft wurden (z.B. Contara).Besonders lesenswert und daher hervorzuheben ist ein Artikel von Wilhelm H. Ennemann über Möglichkeiten von Reichweitenanalysen für Fachzeitschriften. Er zeigt auch: Eine auf die Fachpresse gewendete Publikums-MA - von vielen Werbeagenturen gewünscht - ist eine wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Utopie.
    Nach den besten Fachanzeigen und Werbebannern 2000 folgen die Berichte der Fachkommisionen. Hervorzuheben sind hierbei die Internet-Datenbank media-info, eine Aktualiserung der Broschüre "Controlling im Fachzeitschriften-Verlag" und die Durchführung eines nach 1994 erneuten Erlös- und Kostenvergleiches unter den Mitgliedschaftsverlagen.
    zurück

    Schneider, Wolf
    Die Gruner+Jahr Story. Ein Stück deutsche Pressegeschichte.
    München: Piper 2000. 440 Seiten, 48,00 DM, ISBN 3-492-04265-1

    (vo) Schneider hat die erste umfassende Veröffentlichung über die Geschichte von Gruner + Jahr vorgelegt. Die Struktur des Werkes: Für jedes der Jahre ab 1965 ein eigenes Kapitel, zudem sechs Sonderkapitel zu den Handlungsträgern Gerd Bucerius, Richard Gruner, John Jahr und Henri Nannen. Hinzu kommt ein Anhang mit den Chefredakteur- und Vorstandsnamen, mit Namens- und Sachregister.
    Die Jahreskapitel sind in drei Hauptphasen gefasst: "Sturm und Drang" (1965-1971), "Aufstieg und Katastrophe" (1972-1983) sowie "Aufbruch ins Unbekannte" (ab 1984). Schwerpunkt des Buches sind der "Stern", die Konzernentwicklung, Marktstrategien und die Zeitgeschichte. Denn jedes Kapitel ist mit Anmerkungen zum Weltgeschehen im entsprechenden Jahr gefüttert - was häufig genug eher dem Zusammenhang schadet.

    Das Werk liest sich flott, glatt, zu glatt. Schneiders Geschichte ist die Geschichte weniger handelnder Individuen, alle Begründungen sind einfach gestrickt und ergeben sich (zu) häufig aus den Charakteren. Er verkündet eingangs "Der Krimi beginnt - lasst uns nach den Tätern fahnden." Doch Spurensicherung ist seine Stärke nicht. Man muss ihm glauben, denn Belege führt er nicht an. Der Eindruck des Rezensenten: Eine Arbeit in den Quellen von Gruner + Jahr hat wohl nicht stattgefunden, obwohl vorgeblich Gerd Schulte-Hillen alle Türen geöffnet hat. Eher hat sich Schneider in den Jahrgängen der Medienfachpresse bedient, ergänzt um seine eigenen Erinnerungen. Dass am Ende dann statt eines Literaturverzeichnisses "Bücher von Wolf Schneider" aufgelistet werden, ist bei dieser Arbeitsweise nur konsequent zu nennen.

    Inhaltlich erfährt der Leser vieles über die Stern-Atmosphäre, über Kauf- und Verkaufsabsichten, Käufe und Verkäufe, Wachsen und Gedeihen der Hamburger Verlagsgruppen. Das Ganze ist freilich ohne Gewichtung chronologisch über 35 Jahre hintereinanderweg geschrieben. Zusammengehörendes muss man daher über das Namens- und Sachregister eigenständig aus der Flut der Fakten herausdestillieren.
    zurück

    Heinrich,Jürgen
    Medienökonomie. Band 1: Mediensystem, Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt. 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage.
    Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2. Auflage 2001. 410 Seiten, 59 DM, ISBN 3-531-32636-8

    (vo) Als dieses Werk 1994 in erster Auflage erschien, hat es eine lange bestehende Lücke in der medien- und pressewirtschaftlichen Literatur geschlossen. Nach sieben Jahren legt Heinrich nun eine überarbeitete und aktualisierte Ausgabe vor. Die zweite Auflage ist mit 410 Seiten gegenüber 370 Seiten auch etwas erweitert worden.
    Besonders leserfreundlich ist die Veränderung der Kapitelreihenfolge. Das erste Kapitel lautet nun "Der Mediensektor - Volumen, Strukturen und Funktionen" und grenzt den Mediensektor präziser ein. Heinrich beschränkt sich nach wie vor auf die eher aktuellen journalistischen Medien, außen vor bleiben also zum Beispiel der Film ebenso wie das Plakat. Auch die weiteren Umstellungen und Ergänzun-gen, insbesondere in den Feldern Institutionenökonomik, Marktversagen und Medienwandel, verbessern und verdichten das Thema. Auf diese Weise ist die "Medienökonomie" von Heinrich jetzt ein schlüssiges Lehrbuchs mit hohen Gebrauchseigenschaften, das als Standardwerk gelten kann.

    Wie in der ersten Auflage lauten die pressespezifischen Kapitel "Mikroökonomik" und "Makroökonomik" der Zeitung, dto. der Zeitschrift sowie "Anzeigenblätter".
    Jedes Kapitel endet mit einer stringenten Zusammenfassung und weiteren Literaturhinweisen. Die Vielzahl der Daten und Fakten in den umfangreichen Tabellen wurden zumeist aktualisiert. Heinrich hat aber in der ersten Auflage sehr stark die Pressestatistik des Statistischen Bundesamtes ausgewertet. Weil diese aber nach ihrer Einstellung 1994 durch keine andere Statistik ersetzt wurde, verbleiben leider viele der makroökonomische Daten zur Pressewirtschaft unverändert auf dem Stand von 1994.
    zurück

    Wilke,Jürgen
    Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert.
    Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag 2000. 54 DM. ISBN 3-412-07300-8.

    (md) Nach Jürgen Wilke sind Medien: Presse, Hörfunk, Film und Fernsehen. Der Autor wendet sich damit gegen eine "Auflösung" des Medienbegriffs, wie er sie bei den Medienwissenschaften "(meist literatur- und geisteswissenschaftlicher Provenienz)" (S.1) verortet. Sein Ansatz ist ein traditionell-publizistikwissenschaftlicher, was in erster Linie pragmatisch begründet wird. Denn diese Mediengeschichte soll überschaubar bleiben und überdies fehlen laut Wilke für die orale Phase der menschlichen Kommunikation die Quellen.
    Entsprechend knapp wird die Vorgeschichte der Massenkommunikation (Kapitel 2) - von der Frühgeschichte über die Antike bis ins Mittelalter - mit rund 6 Seiten abgehandelt. Wilkes Mediengeschichte, die im frühen 20. Jahrhundert endet, ist somit im wesentlichen eine Pressegeschichte, erweitert um Teilkapitel über Film (23 Seiten) und Rundfunk (16,5 Seiten). Das Teilkapitel über Grammophon und Schallplatte umfasst 1,5 Seiten. Andere wichtige Entwicklungsschritte in der Kommunikationsgeschichte wie z.B. Telegrafie, Telefonie, erste Ansätze für visuelle Medienereignisse wie Panorama und Diorama finden lediglich in Zwischenkapiteln Erwähnung. Das Plakat - welches sowohl den von Wilke eingangs beschworenen Maletzkeschen Kriterien vollauf genügt als auch zu den Printmedien zählt - wurde sogar völlig ignoriert. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts jedoch war das Plakat ein wesentliches Medium für Werbung und politische Propaganda.
    Die Kritik an der eingeschränkten Perspektive dieser "Medien- und Kommunikationsgeschichte" lässt sich nochmals am Anhang festmachen, wo es ein Register für Personen und eines für Pressetitel gibt, die übrigen Medien oder Begriffe wie "Lesegesellschaften", "Lesezirkel", "Abonnement" sich aber nicht erschließen lassen.

    Die Darstellung der pressehistorischen Teile beginnt mit einem Kapitel über die "Entstehung der Massenkommunikation" (Kap.3), womit Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks und die Herausbildung periodischer Druckerzeugnisse umfasst sind. Die ersten (Wochen-)Zeitungen werden als "Institutionalisierung der Massenkommunikation" (Kap.4) begriffen, die ersten Zeitschriften als "Funktionale Erweiterung der Massenkommunikation" (Kap. 5). Kapitel 6 behandelt das 18. Jahrhundert und konstatiert hier eine "Expansion und Diversifikation der Massenkommunikation", während das 19. Jahrhundert unter die Begriffe "Retardierung und Entfesselung der Massenkommunikation" (Kap. 7) gefasst wird. Kapitel 7 gliedert sich nach Phasen der politischen Geschichte (bis 1819, 1819-1848, 1848-1871, 1871-1918) und es wäre zu fragen, ob die Pressegeschichte (jenseits der Perspektive staatlicher Kontrolle) nicht auch zu anderen Phasen gelangen könnte, die sich an pressebezogenen Einschnitten orientieren - Stichworte z.B.: Herausbildung der illustrierten Zeitungen, Erschließung neuer Leserschaften durch Kolportage, neue Pressetypen in der Industriegesellschaft.
    Kapitel 8 subsumiert unter dem Begriff der "Plurimedialität der Massenkommunikation im frühen 20. Jahrhundert" die sich neu entwickelnden optischen und auditiven Medien und endet mit einer Übersicht zur Presse in der Weimarer Zeit. Ein kurzer Ausblick auf Nationalsozialismus, Fernsehen und Internet unterstreicht noch einmal die Bedeutung der historischen Entwicklung als "Vorgeschichte" für die heutige Informationsgesellschaft.
    zurück

    Schirmer, Stefan
    Die Titelseiten-Aufmacher der BILD-Zeitung im Wandel. Eine Inhaltsanalyse unter Berücksichtigung von Merkmalen journalistischer Qualität.
    München: Verlag Reinhard Fischer 2001. 39 DM. ISBN 3-88927-286-X

    (do) Etwa ein Viertel der deutschen Bevölkerung liest täglich eine Boulevardzeitung, knapp ein Fünftel konkret BILD. "Die Bedeutung dieses Zeitungstyps im Alltag steht in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Beachtung in der Kommunikationswissenschaft." Diese Aussage trifft auf viele weitere Titel der populären Presse zu. Die Boulevardpresse und speziell die BILD-Zeitung ist sogar noch vergleichsweise häufig Gegenstand wissenschaftlicher Analyse, so dass der Autor für seine Untersuchung, die als Diplomarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität München entstand, durchaus auf Ergebnisse (etwa in der Sprachanalyse), Begrifflichkeiten und Kategorien aufbauen konnte. Dies zeigt schon der ausführliche Teil II der Arbeit, der sehr prägnant und stringent die wesentlichen Erkenntnisse über "Boulevardpresse", "Titelseiten-Aufmacher", "Journalistische Techniken bei der Aufmachergestaltung", "BILD" und "Journalistische Qualität" zusammenträgt.

    Der empirische Teil III steht unter der forschungsleitenden Frage "Wie hat sich die Selektion und Gestaltung des Titelseiten-Aufmachers in der BILD-Zeitung seit dessen Etablierung 1953 gewandelt?" (S.77) Zudem soll auch die in neuerer Zeit häufiger geäußerte These überprüft werden, BILD wäre seit den 90er Jahren "seriöser" geworden (S.59). Schirmer hat auf der Grundlage einer proportional geschichteten Zufallsauswahl 250 Ausgaben von BILD über den gesamten Zeitraums ihres Erscheinens hinweg ausgewählt und die Aufmacher analysiert. Die Untersuchung gliedert sich in die Bereiche: Inhalt, Form, Sprache, journalistische Qualität. Die Ergebnisse können hier nur in Beispielen wiedergegeben werden: So wurde etwa der Prominentenklatsch in den 70er Jahren sprunghaft ausgeweitet und bleibt seitdem hinter dem Verbrechen zweithäufigstes Titelthema. In den 60er Jahren war noch jeder dritte Aufmacher politisch, in den 80er Jahren nur 3 %. Ein Drittel der Aufmacher kam erstaunlicherweise ohne Fotos aus. Die in den Aufmachern verwendeten Fotos zeigen zu 88 % Menschen, zumeist Prominente. Eine BIlD-Schlagzeile besteht durchschnittlich aus 4,8 Wörtern; häufigstes Stilmittel ist die Alliteration. Im Bereich der journalistischen Qualität wurden Defizite bei der Richtigkeit (Quellentransparenz, Kausalität u.ä) und der ethischen Angemessenheit (Wahrung von Persönlichkeitsrechten) ermittelt. Letzteres betreffend lässt sich zwar in den 90er Jahren in der Tat eine leichte Besserung bei den Aufmachern der BILD ausmachen, eine allgemeine Wandlung kann man daraus aber nicht ableiten. Ein ausführlicher Anhang dokumentiert das Material und die Methode der lesenswerten Untersuchung.

    Der Autor hätte seine Ergebnisse dazu nutzen können, bei der Entwicklung von BILD Phasen herauszuarbeiten: Dass die 80er Jahre etwa besonders "boulevardesk" gewesen seien (S.136 f) wird im Fazit kurz angesprochen. Wie stark die Aufmacher vom jeweiligen Chefredakteur geprägt sind, ist in Kapitel 4.6. behandelt. So müsste man auch der Frage nachgehen, ob die Wechsel in der Chefredaktion als Zäsuren sichtbar werden.
    zurück

    Engelhardt, Alexander von
    Werbewirkungsmessung. Hintergründe, Methoden, Möglichkeiten und Grenzen.
    München: Verlag Reinhard Fischer 1999. 203 S. 28 DM. ISBN 3-88927-251-7.

    (md) Das Buch von Alexander von Engelhard befasst sich im wesentlichen mit den Messverfahren der Werbewirkungsforschung. Sie werden nach Erläuterung der gängigen Werbewirkungsmodelle, Werbewirkungsindikatoren und der allgemeinen Messverfahren der empirischen Sozialforschung nach folgenden Bereichen dargestellt:

    • Verfahren zur Messung der Beachtung bzw. Wahrnehmung
    • Verfahren zur Messung der allgemeinen Aktivierung
    • Verfahren zur Messung der kognitiven Verarbeitung
    • Verfahren zur Messung der Einstellung
    • Verfahren des kaufnahen Verhaltens bzw. des Kaufverhaltens.

    Der Autor beschreibt die Verfahren in ihrem allgemeinen Ansatz und ihren gängigen Ausprägungen (von "Ad Plus" bis "Zöllner-Verfahren") und beurteilt sie hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Aussagekraft. Überdies hat er 269 deutsche Marktforschungs-institute daraufhin befragt, ob sie Werbewirkungsforschung betreiben und welche Methoden sie dabei einsetzen. Die meisten Verfahren sind aus Amerika importiert und mindestens 30 Jahre alt. Neue Verfahren gibt es wenige. "Die Güte fast aller Verfahren wird zwiespältig diskutiert." (S. 127). Die 119 Institute, die tatsächlich Werbewirkungsforschung betreiben, setzen auf "Allroundverfahren" wie Polaritätenprofile und qualitative Verfahren (Einzelinterviews, Gruppendiskussionen). Apparative Verfahren hingegen werden selten verwendet. (S. 125)

    Das Buch wendet sich in erster Linie an Forschungsinteressierte, da es auf Beispiele verzichtet und sich allein auf der theoretisch-methodischen Ebene bewegt. Ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Stichwortverzeichnis erhöhen den Nutzwert des Bandes.
    zurück