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Rezensionen zu Neuerscheinungen 2007 - 2009

 

     
    Zeese, Jan:
    Die Macht der inneren Stimme. Verbandszeitschriften in der politischen Interessenvertretung
    Marburg: Tectum 2008. 483 Seiten, 34,90 EUR, ISBN 978-3-8288-9771-7
      (vo) Als Teil der Mitgliedschaftspresse ist die Presse der Verbände eine selten untersuchte Pressegattung, valide Strukturdaten fehlen weitgehend. Diese politikwissenschaftliche Dissertation widmet sich der Verbandspresse unter dem Aspekt der Lobbyarbeit von Verbänden.

      Die zentrale Frage könnte man so fassen: Mitgliedschafts- presse zeichnet sich primär durch ihre nach innen gerichte Funktion aus, der Erhaltung der Gemeinschaft zu dienen. Sind Verbandszeitschriften darüber hinaus inhaltlich auch wesentlich Organe der Außendarstellung gegenüber Multiplikatoren und Entscheidungsträgern? Sind sie gegenüber diesen Zielgruppen auf persuasive Kommunikation angelegt?

      Das Werk gliedert sich in drei Hauptbereiche: Grundlagen des Verbändewesens, Verbandszeitschriften, Politik durch Verbandszeitschriften. Die ausführliche Arbeitsdefinition des Autors von "Verbandszeitschriften" ist für seine Zwecke ausreichend, eine Innovation für die Presseforschung ist dies jedoch nicht. Die aufgeführten zehn Funktionen dieser Gattung stehen zunächst ungewichtet nebeneinander.

      Mangels vorhandener Daten über die Grundgesamtheit der Verbände-Zeitschriften in Deutschland führt der Autor eine eigene Erhebung durch. Basis sind die Lobbyliste des Deutschen Bundestags und Adressdaten von Hoppenstedt. Rund 1.230 Meldungen von Verbandszeitschriften bei insgesamt 2.583 Rückläufen weisen darauf hin, dass "mindestens jede Zweite unter den 4.500 wichtigsten Verbänden über eine Verbandszeitschrift verfügt" (209). Hierbei gilt, so ein Ergebnis der durchgeführten Befragungen: "Unter den typischen Instrumenten interner Kommunikation ist die Zeitschrift das Wichtigste" (213). Bei knapp jeder zweiten Zeitschrift ist ein Fachverlag beteiligt.

      Die Untersuchung weist eine Fülle von Befragungsergebnissen aus, deren Visualisierung durch sehr kleine Schaubilder und unterschiedliche Skalierungen leider keine Verständniserleichterung bringt. Hauptzielgruppe der Zeitschriften sind mit Abstand die eigenen Mitglieder. Die Macher bewerten ihre Produkten selber mit einem Notendurchschnitt von 2,1 bis 2,3. Die Erwartungen und Einstellungen der Macher werden durch 23 Fallbeispiele auf über 130 Seiten vertieft.

      Der abschließende Befund des Autors aus seinen intensiven Erhebungen ist eindeutig: Auch Verbandszeitschriften dienen in erster Linie der internen Kommunikation zwischen Verband und Mitgliedern. Es sind die informierten Mitglieder, die sich dann direkt in die politische Kommunikation mit gesellschaftlichen Entscheidungsträgern einschalten (sollen).

      Fazit: Eine runde Forschungsarbeit, welche die Verbandspresse als homogenen Teil der Mitgliedschaftspresse bestätigt und als Hauptfunktion dieser Pressegattung die Mitgliederunterrichtung und -kommunikation herausarbeitet.
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    Brawand, Leo:
    Der Spiegel - ein Besatzungskind. Wie die Pressefreiheit nach Deutschland kam.
    Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2007. 230 S., 9,90 Euro, ISBN 978-3-434-50604-1
      (vo) Zielgruppe dieses Buches ist ein breiteres Publikum, das gut geschriebene Erinnerungen schätzt. Das bedeutet auch: Bis auf die abgedruckten Dokumente finden sich keine Quellennachweise für die von Brawand dargestellten Sachverhalte.

      Zunächst stehen hauptsächlich die Erinnerungen des englischen Presseofiziers John Chaloner im Mittelpunkt. Hinzu kommen knappe Passagen zu Gründungen und Lizenzträgern verschiedener deutscher Tageszeitungen und begleitend Erläuterungen der unterschiedlichen Lizenzpraxis in den drei Westzonen. Die Frühgeschichte des Spiegel in Gestalt der Wochenzeitung "Diese Woche" unter dem Chefredakteur Harry Bohrer und ihrer Mitarbeiter entwickelt Brawand dann aus seinen eigenen Erinnerungen. Das Werk schließt mit den zunehmenden Verklärungen der Anfänge durch den späten Rudolf Augstein.

      Die starke Personenorientierung wird durch längere Wiedergaben früher Artikel unterbrochen. Sie vermitteln einen unmittelbaren Eindruck vom Zeitwert dieser wöchentlichen Zeitschrift.
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    Jungblut, Michael:
    Herausforderungen und Antworten. Die Ganske Verlagsgruppe - Geschichte eines Medienhauses
    Hamburg: Hoffmann und Campe 2007. 375 S., 25 Euro, ISBN 978-3-455-09509-8
      Eckardt, Emanuel:
      Halte Schritt. Kurt Ganske und seine Zeit
      Hamburg: Hoffmann und Campe 2005. 241 S. mit zahlreichen Abbildungen, 25 Euro, ISBN 978-3-455-50018-9

         

         

         

      (do) Die Firmengruppe, die die Familie Ganske in den letzten 100 Jahren aufgebaut hat, gehört zwar nicht zu den großen Medienkonzernen in Deutschland, spielt im Bereich der Publikumspresse mit Zeitschriftenmarken wie "Petra", "Für Sie", "Architektur & Wohnen" oder "Prinz" aber in der ersten Liga.

      Bereits im Jahr 2005 erschien zum Anlass seines 100. Geburtstags eine Biografie über Kurt Ganske, der bei seinem Tod 1979 als "Deutschlands unbekanntester Verleger" bezeichnet worden war. Er hat Auftritte in der Öffentlichkeit gescheut und seine diversen Firmen so separat geführt, dass angeblich selbst die Führungskräfte sich nicht kannten. Kurt Ganske trat schon mit 19 Jahren in die gut florierende Firma seines Vaters ein - den in Kiel ansässigen Lesezirkel "Daheim". Er betrieb in den 20er und 30er Jahren engagiert die Eröffnung von Filialen im ganzen deutschen Reich. Noch heute ist "Daheim" mit Abstand der größte Lesezirkel Deutschlands. Schon Anfang der 40er Jahre hatte Kurt Ganske versucht, auch im Verlagsgeschäft Fuß zu fassen, und beteiligte sich am Verlag Hoffmann und Campe. Dies ermöglichte nach 1945, das Lesezirkelgeschäft zunächst mit Büchern unmittelbar wieder aufzunehmen. 1948 folgte dann der Einstieg als Zeitschriftenverleger mit "Merian". Für "Film und Frau" wurde der Jahreszeiten-Verlag gegründet, der in Hamburg seinen Sitz nahm. 1956 beteiligte sich Ganske, weil er vor allem eine Druckerei suchte, an der Rhenania Druck- und Verlagsgesellschaft in Koblenz. "So wurde der norddeutsche Protestant zum Verleger einer defizitären katholischen Wochenzeitung" (Jungblut S.252). Ähnlich wie in anderen Verlagshäusern wurde das Zeitschriften-Portfolio seit den 60er Jahren fortlaufend erweitert. Als Kurt Ganske 1979 die Geschäftsführung an seinen Sohn Thomas übergab, boten sich alle Voraussetzungen zur weiteren Modernisierung und Expansion, die dieser mit weiteren Übernahmen (z.B. Gräfe und Unzer Verlag 1990) und Neugründungen (z.B. "Tempo" 1986) auch nutzte. Seit 2001 ist die Ganske Verlagsgruppe eine Holding.

      Beide bei Hoffmann und Campe erschienen Werke erzählen im Prinzip dieselbe Erfolgsgeschichte. Bei Emanuel Eckart dominieren mehr das Zeitkolorit und die familiären Hintergründe, während Jungblut stärker die Geschäftsentwicklung im Lesezirkel, die verschiedenen Verlagsprodukte und Firmen in die Darstellung einbezieht. Jungblut thematisiert die prekäre Quellenlage und beschreibt eine Situation die bei vielen Verlagshäusern ähnlich ist: die Frühgeschichte des Unternehmens ist nicht mehr dokumentiert, durch Kriegsgeschehen, Umzüge, einen Wasserrohrbruch und weitgehende Gleichgültigkeit gegenüber der Historie in den 50er und 60er Jahren sind entsprechende Materialien weitgehend vernichtet. Die Autoren haben daher viele der noch lebenden Zeitzeugen, vor allem Mitglieder der Familie Ganske und Verlagsmitarbeiter befragt. Bei Eckardt ist im Anhang eine Chronik abgedruckt. Außer Briefzitaten und den Fotografien, die im Werk von Eckardt zusammengestellt wurden, finden sich in beiden Werken keine Quellenbelege, ebenso wenig ein Literaturverzeichnis.

      Fazit: Zwei gut geschriebene Werke, interessant für Presse- und Wirtschaftshistoriker, als Bausteine für die Pressegeschichts-Schreibung aber nur begrenzt verwertbar.
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    May, Frank Christian:
    Pressefreiheit und Meinungsvielfalt (=Schriften zur Medienwirtschaft und zum Medienmanagement, 20).
    Baden-Baden: Nomos 2008. 246 Seiten, 34 Euro, ISBN 978-3-8329-3492-7
      (vo) Der Titel dieses Werkes kann in die Irre führen, impliziert er doch eher ein juristisches Werk. Tatsächlich untersucht der Autor aber die Ökonomie der Tagespresse. Anregung für diese an der Kölner WISO-Fakultät angefertigte Dissertation war der "Kölner Zeitungskrieg". Der Autor vermisste Diskussionsbeiträge der Volkswirtschaftslehre und entdeckte ein entsprechendes Theoriedefizit der VWL. Diesem Mangel hilft seine Untersuchung in der Tat ein Stück ab.

      Das Werk ist gut gegliedert, drei Hauptkapitel untersuchen
        - Marktzutrittsschranken, Konzentration, Meinungsäußerung
        - die Mischfinanzierung über Verkaufs- und Anzeigenerlöse
        - Interdependenzen des wirtschaftlichen und publizistischen Wettbewerbs.
      Nach jedem Hauptkapitel folgt eine kompakte Zusammenfassung der Ergebnisse.

      Hierbei gelingen dem Autor - deutlich über die übliche erneute Umwendung altbekannter medienwirtschaftlicher Phrasen hinaus - pointierte Sichtweisen. Zum Beispiel: "Es ist die Aufgabe der Zeitung, den Leser über bestimmte, für ihn relevante Tatsachen zu unterrichten, von denen er bislang überhaupt nicht gewußt hat, dass sie sich seiner Kenntnis entziehen. Es geht gleichsam darum, das Individuum mit seinen Wissensmängeln bekannt zu machen." (S. 28). Aus diesem "intendierten Erwerb unintendierten Wissens" leitet der Autor die ökonomische Notwendigkeit der inneren Meinungsvielfalt ab. Je größer sie ist, desto eher kann der Verlag die "Konsumentenrenten verschiedener Leser" abschöpfen, also Mehrverkäufe realisieren.
      In diesem Verständnis ist nicht die Tendenz zum Monopol das Problem, sondern die Meinungsvielfalt in der Tageszeitung. Die Verwertung von Minderheitenpositionen ist nur eingeschränkt gegeben, wenngleich sie aus evolutionärer Perspektive für die Gesellschaft besonders wichtig sind.

      Der Autor wendet sich auch schlüssig gegen den problematischen Begriff der
      '(Quer-)Subventionierung' von Copypreisen durch Anzeigenumsätze: "Wenn beide Marktseiten für ein Zustandekommen des Gesamtproduktes benötigt werden, haben die Kosten der Zeitungsproduktion den Charakter von Gemeinkosten und jede Zurechnung muss willkürlich erscheinen." (S. 122) Auch schreckt er vor konsequenten Gedankengängen nicht zurück: "Aus wettbewerbstheoretischer Sicht besteht jedoch grundsätzlich kein Problem darin, daß vermeintlich hochwertige Produkte vom Markt verschwinden, weil die Käufer sie in einem Kosten-Nutzen-Vergleich mit einfacheren Konkurrenzprodukten als zu teuer empfinden" (S. 229). Diese Passus ist auf das Phänomen der Gratiszeitungen gemünzt.

      Der Autor hält die volkswirtschaftliche Sicht auf den Zeitungsmarkt erfrischend konsequent durch. Damit gelingt ihm die Positionierung eines Standpunkts, den zur Kenntnis zu nehmen äußerst lohnend ist. Denn an ihm können sich alle Verfechter einer qualitativ hochwertigen Presse mit Gewinn abarbeiten. Dem Werk ist eine breite Rezeption in Fachkreisen zu wünschen.


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    Böning, Holger und Arnulf Kutsch und Rudolf Stöber (Hrsg.):
    Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 9.2007
    Stuttgart: Franz Steiner 2008. 358 Seiten, 93 EUR / 82 EUR im Abonnement, ISSN 1438-4485
      (vo) Vier von sechs Aufsätzen dieses Jahrbuchs befassen sich mit der Presse:
      Johannes Valentin Schwarz gibt einen Forschungsüberblick zur Geschichte der jüdischen Presse des 18. bis 20. Jahrhunderts. Das Problem des Gegenstandes: "schwer zugängliche, weit verstreute oder fragmentarische Originalmaterialien". In jüngster Zeit erleichtern umfangreiche Digitalisierungsprojekte allerdings den Zugriff auf reichhaltiges Material.

      Flemming Schock befasst sich mit Wunderzeichen in der ersten populärwissenschaftlichen Zeitschrift Deutschlands. Die "Relationes Curiosae" erschienen 1681-1691 in Hamburg als wöchentliche Beilage zur Zeitung "Relations Courier".
      Annett Volmer folgt den Spuren von Jean-Henri-Samuel Formey, einem Journalisten des 18. Jahrhunderts, der in zahlreichen französischsprachigen Zeitschriften publiziert hat.
      Die Zeitschrift "die neue linie" (1929 - 1943) analysiert Patrick Rössler. Moderne und Liberalismus fanden ihre Grenzen in den Bedingungen der nationalsozialistischen Presselenkung.

      Abgerundet wird das Jahrbuch wiederum durch vielfältige Rezensionen und einer Bibliographie zu kommunikationshistorischen Aufsätzen des Jahres 2006 durch Wilbert Ubbens.
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    Hoersch, Teddy (Hrsg.):
    BRAVO 1956 - 2006
    München: Collection Rolf Heyne 2006. 784 Seiten farbiges Großformat, 58 EUR, ISBN 3-89910-307-6
      (vo) Teddy Hoersch, früher Chefredakteur diverser junger Fernseh- und Filmformate (u.a. VIVA, Tango Film) hat im Auftrag des Heinrich-Bauer-Verlags die "offizielle" Jubiläumsschrift gefertigt. 4125 Gramm "zum Schmökern, zum Erinnern, zum Blättern und zum Wiederentdecken" (Klappentext). Das Werk ist so bunt wie die BRAVO selbst und zeigt u.a. sämtliche Bravo-Titelbilder aus fünfzig Jahren im Briefmarkenformat.

      Die Gliederung des Werks ist chronologisch. Neben den nach den Jahrzehnten benannten Hauptkapiteln gibt es gesonderte Absätze zu BRAVO-Otto, Starschnitt, Dr. Sommer, Foto-Love-Story, Boygroup-Fans, Charts, Sport-Ikonen und Bravo-Reportern. Die Methode des Autors begrenzt den Gehalt des Buches: Er hat alle Hefte durchgeblättert "auf der Suche nach dem Zeitgeist, guten Storys, interessanten Geschichten". Daher sucht der Leser vergebens Hintergründe zu Konzepten und Konzeptänderungen, Details zu langjährigen Redakteuren oder vormaligen Chefredakteuren, Beschaffungswege von Storys und Fotos (nur ein Interview mit Didi Zill und ein Abschnitt über langjährige BRAVO-Reporter), die Positionierung der BRAVO-Gruppe im Verlag, Themen wie Marketing und Vertrieb der BRAVO, etc. etc.

      Genau wie die BRAVO selbst stellt auch dieses Buch über die BRAVO die Stars und Sternchen in den Mittelpunkt. Und weil wohl nicht die heutige Zielgruppe sondern eher die gestrige den Buchpreis von 58 EUR als Reminiszenz erübrigen wird, dürfen eingangs auch Udo Jürgens und Dieter Thomas Heck gratulieren. Übrigens: Seinen zweiten Vornamen verdankt Dieter Heck den Lesern der BRAVO - wirklich!
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