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Rezensionen zu Neuerscheinungen
2000 - 2003

 

     
    Brosius, Hans-Bernd und Friederike Koschel:
    Methoden der empirischen Kommunikationsforschung. Eine Einführung. 3. Auflage
    Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2005. 215 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3-531-43365-2

    (vo) Die dritte Auflage dieses Buches ist weitgehend ein Neudruck der zweiten Auflage. Brosius/Koschel präsentieren in 15 Kapiteln Überblicke zu: Methoden, Theorien, Messen und Zählen, Auswahlverfahren, Befragung, Interview, Inhaltsanalyse, Experiment. Damit bildet es den klassischen Kanon ab - eine zweifellos ebenfalls vielpraktizierte Methode wie die Strukturanalyse wird hingegen nicht behandelt.

    Das Werk wird dem Lehrbuchcharakter voll gerecht. Es ist verständlich geschrieben, vorbildlich gegliedert und die Kapitel bauen präzise aufeinander auf. Zu kritisieren bleiben Marginalien: Die schriftliche Befragung kommt zu schlecht weg: Sie ist bei geografisch sehr weit verstreuten Stichproben oft der einzig finanzierbare Weg, um komplexere Fragebögen einzusetzen. Weiterhin wäre der Wert einer Stichprobenziehung bei Inhaltsanalysen von Presserzeugnissen zu hinterfragen. Denn es erscheint dem Rezensenten mehr als zweifelhaft, dass sich das Verhältnis der Stichprobe zur Grundgesamtheit bei Texten genauso repräsentativ verhält wie dies bei Haushalts- oder Personenstichproben der Fall ist.

    Gerade auch für Praktiker, die der Marktforschung eher fern stehen, ist dieser Band ein kompaktes, flott zu lesendes Einführungswerk in die wichtigsten Sachverhalte von Befragungen und Interviews.
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    Beck, Hanno:
    Medienökonomie. Print, Fernsehen und Multimedia.
    Berlin u.a.: Springer 2002. 348 Seiten, 34,95 EUR, ISBN 3-540-43333-3

    (vo) Dies ist ein Lehrbuch ganz eigener Art. Im Duktus ist es für das Selbststudium eines an medienökonomischen Hintergründen interessierten Nichtökonomen geschrieben. Das Buch richtet sich somit nicht - wie im Klappentext formuliert - an Studierende. Denn es führt nicht zugleich an die Systematik der BWL bzw. der Kommunikationswissenschaft und den aktuellen Erkenntnisstand dieser Disziplinen heran. Dem Autor geht es vielmehr darum, die ökonomische Funktionsweise von Medien zu vermitteln. Hierzu fügt das Werk gekonnt Stein auf Stein und munitioniert sich dabei situativ aus dem Fundus der BWL und der Kommunikationswissenschaft. Durch dieses Konzept wird beim Leser das gewünschte Verständnis tatsächlich auch weitgehend erreicht. Zusätzlich kann sich der Leser auch durch technische und historische Abschnitte durcharbeiten, die teilweise großzügig aus anderen Quellen übernommen werden.

    Das Werk gliedert sich in die Kapitel Ökonomische Konzepte (72 Seiten), Printmedien (86 Seiten), AV-Medien (120 Seiten) und Internet/Multimedia (56 Seiten). Der Autor greift auch medienpolitisch strittige Sachverhalte auf (z.B. Buchpreisbindung, Subventionen, Filmförderung), diskutiert sie stringent unter ökonomischen Gesichtspunkten und bezieht jeweils eine eindeutige Position. Dabei vertraut er zumeist den Märkten und blendet ökonomische Störungsvariablen (Vertriebsmacht, Oligopolverhalten, Verdrängungsstrategien, Errichtung von Marktzutrittsbarrieren) weitgehend aus.

    Ob und wie in die Praxis die vielen verschiedenen gezeigten Berechnungsmodelle angewandt und mit Daten hinterlegt werden können, bleibt leider offen. Hier wäre ein stärkeres Arbeiten mit konkreten Beispielen sicherlich hilfreich gewesen. Rundherum lobenswert ist der Sprachstil des Buches. Er hebt sich angenehm von ähnlichen Werken ab und fördert damit auch entscheidend die Verständlichkeit der Ausführungen.
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    von Danwitz, Thomas:
    Der Gratisvertrieb anzeigenfinanzierter Tageszeitungen
    im Wettbewerb der Presseorgane

    Baden-Baden: Nomos 2002. Baden-Baden: Nomos 2002. 138 Seiten, 25 EUR, ISBN 3-7802-6

    (vo) Diese juristische Untersuchung wurde in der Hochphase des "Kölner Zeitungskriegs" vom Hause DuMont in Auftrag gegeben. Ihr Autor lehrt Recht an der Universität Bochum. Nach einer knappen Hinführung zum Thema (8 Seiten) werden zunächst einfachrechtliche Aspekte des Wettbewerbsrechts der Presse diskutiert (28 Seiten). Es folgt der Hauptteil mit der verfassungsrechtlichen Erörterung und Bewertung (72 Seiten). Das Werk schließt mit einer Zusammenfassung der Befunde (12 Seiten).

    Einige ausgewählte Ergebnisse, zusammengefasst vom Rezensenten:
    • Gratiszeitungen nutzen eine leistungsfremde Wettbewerbspraxis, die als unlauter zu bewerten ist. Stichworte sind hierbei Behinderung freier Kaufentscheidung und Marktverstopfung.
    • Der Bestand einer funktionierenden Wettbewerbsordnung ist Voraussetzung für das grundrechtlich geschützte freie Institut Presse in privatwirtschaftlicher Struktur. Gratiszeitungen beseitigen diese funktionierende Wettbewerbsordnung.
    • Es könnte aber sein, dass Gratisvertrieb und entgeltlicher Vertrieb von Zeitungen gleichermaßen grundgesetzlich geschützt sind. Hierdurch ergäbe sich eine gleichartige Grundrechtskollision.
    • Dann aber haben entgeltlich finanzierte Tageszeitungen Vorrang. Denn sie unterliegen nicht den Gefahren einer ausschließlichen Werbefinanzierung. Diese kann zur kommerziellen Fremdbestimmung durch die Werbewirtschaft führen mit der Folge, nur einseitig zu berichten.
    • Eine Gefährdung des Instituts der freien Presse kann niemals in konkreter Betrachtung, sondern allein in der abstrakten Betrachtung typisierter Sachzusammenhänge erkannt werden. Die bisherigen OLG-Entscheidungen zugunsten der Gratispresse, die ein Zuwarten auf den Eintritt einer konkreten Gefährdung verlangen, sind daher nicht hinnehmbar.
    Von Danwitz zeigt in seiner Untersuchung eine in nahezu 50 Jahren gefestigte BGH-Rechtsprechung zum Gratisvertrieb von Presseprodukten auf. Hierbei bedurfte der Gratisvertrieb anzeigenfinanzierter Presseprodukte immer schon einer besonderen Begründung. Je umfangreicher der redaktionelle Teil, desto eher wurde eine Untersagung aus Wettbewerbsgründen ausgesprochen.
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    Meier, Peter und Nicole Gysin:
    Vom heimischen Herd an die Front. Die Rolle der Ringier-Zeitschriften in den Krisen- und Kriegsjahren 1933-1945
    Bern: Institut für Medienwissenschaft 2003. 335 Seiten, 21 EUR, ISBN 3-9521500-7-X

    (do) Auch in der Schweiz sind Zeitschriften eine "bisher von der Forschung allzu stiefmütterlich behandelte () Mediengattung" (S.IV). Umso erfreulicher, dass sich einmal ein Verlagskonzern entschließt, seine Geschichte aufarbeiten zu lassen und den Forschern seine Archive öffnet. Der vorliegende Band ist Ergebnis eines Projekts, das die Ringier AG 1999 an das Berner Institut für Medienwissenschaft vergeben hat. Aufgearbeitet wurde anhand der Quellen zum einen die Verlagsgeschichte 1833 bis 1933, wobei der Schwerpunkt in der Zeit des Aufstiegs von der Druckerei zum Verlagskonzern zwischen 1898 und 1932 liegt. Zum anderen wurden die beiden Ringier-Titel "Schweizer Illustrierte Zeitung" und "Sie & Er" für die Jahre 1933 bis 1945 inhaltsanalytisch untersucht.
    Besonders lesenswert sind die Kapitel 2 und 3, die sich mit der Entwicklung des Konzerns und den internen Strukturen befassen. Hier wird in lebendiger Form beschrieben wie Paul Ringier durch risikofreudige Expansionspolitik seinen Konzern aufgebaut hat. Nicht nur der Ankauf neuer Zeitschriften gehörte dazu, sondern die Errichtung von Tocherfirmen und Beteiligungen, was 1932 konsequent in die Gründung einer Holding mündete. Schon 1924 versuchte Ringier einen Verlagssitz auch in Deutschland zu etablieren, was allerdings zu dieser Zeit noch nicht rentabel wurde.
    Die Autoren zeigen, mit welch modern anmutenden Mitteln schon in den 20er Jahren Konkurrenzkämpfe unter Verlegern geführt wurden bis hin zum billig produzierten Plagiat und zum unlauteren Wettbewerb bei der Abonnenten-Werbung. Ringier verstand sich durchzusetzen, auch was die lukrative Herausgabe der "Schweizer Radiozeitung" betraf. Die Arbeitsweise der Redaktionen, die mehr auf Zulieferung denn auf profilierte Journalisten setzten, wird ebenso anschaulich wie die Bedeutung der Vertriebswerbung und des Anzeigenbereichs.
    Nicht zuletzt wird die Rolle Paul Ringiers als technischer Innovator, speziell im Bereich Tiefdruck, herausgestellt. Demgegenüber widmete er der journalistischen Komponente des Verlagsgeschäfts offenbar geringere Aufmerksamkeit: "Jahrzehntelang hatte man aber statt des Produktes nur den Apparat verbessert, der es verkaufen sollte." (S.115) Dies wurde erst nachgeholt, als mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Auflagen sanken.

    Der inhaltsanalytische Teil des Bandes, der auf einer hermeneutischen Analyse von 1350 Zeitschriftenausgaben mit 5277 Artikeln beruht, konzentriert sich auf drei Themenbereiche: Geistige und militärische Landesverteidigung, Frauenbilder- und Leitbilder sowie Totalitarismus versus Demokratie. Dieses umfang- und detailreiche Hauptkapitel verknüpft die Analyse von Zeitschriftenbeiträgen mit der Skizzierung des historischen Hintergrunds und redaktionellen Quellen. Im Fazit wird betont, dass die Ringier-Titel sich Ende der 30er Jahre vom meinungslosen Journalismus lösten. "Doch trotz der vermehrten und vertieften politischen Berichterstattung waren und blieben die Zeitschriften immer auch und in erster Linie dem Unpolitischen und Alltäglichen verbunden." (S. 306).

    Unklar bleibt warum die Autoren nicht stärker die Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse von Jasper A. Friedrich einbezogen haben, die im Rahmen des Projektes ja auch entstanden ist, aber nicht veröffentlicht wurde.
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    Möhring, Wiebke und Daniela Schlütz:
    Die Befragung in der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Eine Einführung
    Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2003. 219 Seiten, 18,90 Euro, ISBN 3-531-13780-8

    (md) Dieses Lehrbuch wendet sich in erster Linie an Studierende der Kommunikations- und Medienwissenschaft und ist gleichermaßen als Einführung und "Anleitung für studentische Forschungsarbeiten" (Vorwort) gedacht. In sechs überschaubaren und übersichtlichen Kapiteln werden die wesentlichen Aspekte des Themas dargestellt: von der Bedeutung der Befragung als wissenschaftlich-empirische Methode über das Interview als soziale Situation, Fragebogen, Modi und Varianten bis hin zur Durchführung der Befragung.
    Die Ausführungen sind - auch grafisch - konsequent didaktisch aufbereitet. Wesentliche Begriffe werden in hervorgehobenen Kästchen definiert, komplexere Zusammenhänge mit optisch abgesetzten Beispielen veranschaulicht. Die Autorinnen diskutieren wesentliche Vor- und Nachteile der unterschiedlichen methodischen Verfahrensweisen und widmen insbesondere der zentralen Fragebogenkonzeption entsprechend viel Raum.

    Angesichts der Kompliziertheit der Materie gelingt es nicht immer, Erläuterung und Beispiele zu verzahnen, manche Passagen bleiben für Einsteiger nach wie vor relativ abstrakt: "Wir beginnen mit der Problemstellung, aus der wir eine Forschungsfrage extrahieren. Das Wichtigste dabei ist die Präzisierung. H. Komrey (1998:109ff) nennt das eine ‚dimensionale Analyse', gelegentlich wird auch von Konzeptspezifikation gesprochen. Das Ziel ist, die Forschungsfrage so einzuschränken, dass sie exakt und handhabbar wird. Ausgangspunkt der dimensionalen Analyse ist eine relativ grob abgegrenzte Fragestellung, die sich auf die Beschreibung eines empirischen Sachverhalts bezieht." usw.(S.23)
    Ebenso war es wohl nicht immer möglich, die Begrifflichkeiten sukzessive zu entwickeln. Beispielsweise werden in Kapitel 3 zunächst Skalenniveaus diskutiert (S.84), während die Definition des Skalen-Begriffs erst vier Seiten weiter erfolgt. Ein Index von Stichwörtern und Definitionen im Anhang erleichtert es dem Leser jedoch, in solch einem Fall nachzuschlagen. Literaturhinweise am Ende der Kapitel eröffnen zudem die Möglichkeit, das Gelesene zu vertiefen.

    Während die wesentlichen Schritte einer Befragung sehr gut dargestellt sind, erhellen sich die Anwendungsbereiche in Wissenschaft und Marktforschung nur aus den Beispielen. Hier wäre es doch wünschenswert, wenn einführend eine Differenzierung versucht würde - denn AWA, Politbarometer, Untersuchungen zum Talkshow-Konsum bei Jugendlichen oder verlagseigene Leserbefragungen unterscheiden sich doch sehr in ihren Prämissen, Standards und Rahmenbedingungen, was sich auf methodische Entscheidungen auswirkt.
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    Axel Springer Verlag (Hrsg.):
    125 Jahre Ullstein. Presse- und Verlagsgeschichte im Zeichen der Eule. Mit 180 Abbildungen
    Berlin: Axel Springer 2002. 160 Seiten, 20 EUR, ISBN 3-00-009719-8

    (md) Wohl kaum ein Verlagshaus in Deutschland hat seine Geschichte so ausführlich dokumentiert und misst ihr solche Bedeutung zu wie Ullstein/Springer. Nach der umfassenden 4-bändigen Geschichte Ullsteins, die 1977 zum 100. Geburtstag des Verlagshauses erschien, wurde die Publikation zum neuesten Jubiläum eher als Broschüre konzipiert: großformatig, reich bebildert und von stärker episodischem Charakter. Nach zwei einführenden Beiträgen zum "Geheimnis des Ullstein-Erfolgs" (Mathias Döpfner) und zum "Ullstein-Geist" (Christoph Stölzl) folgen drei Rubriken: Familie Ullstein, Verlagsepoche bis 1945 und Verlagsepoche bis 2002. Ein ausführlicher Anhang liefert Fakten und Übersichten: den Stammbaum der Familie, Erscheinungszeiträume der Zeitungen und Zeitschriften des Verlags, eine Verlags-Chronologie, ein Literaturverzeichnis.

    In den Beiträgen über die Familie Ullstein erinnern sich zunächst die Nachfahren: Marion von Rautenstrauch (Tochter Karl Ullsteins), Bartholomew Ullstein (Sohn Frederick Ullsteins) sowie Klaus Saalfeld (Sohn Elisabeth Ullsteins). Die Geschichte der Villa von Louis Ullstein wird von Sir Paul Levers skizziert, der hier heute als britischer Botschafter residiert. Für ein Kapitel über die Frauen der Ullsteins hat man den Schriftsteller Sten Nadolny verpflichtet. Alles in allem Impressionen und Anekdoten, die vor allem auf die Tatkraft und den Gestaltungswillen in der Familie abheben, womit auch Enteignung, Exil und der Wiederaufbau des Unternehmens gemeistert wurden.

    Der Abschnitt über die Verlagsgeschichte vor 1945 wird von Beiträgen wissenschaftlicher Autoren bestritten. Rudolf Stöber öffnet mit einer faktenreichen Darstellung der Zeitungsstadt Berlin zur Kaiserzeit. Die Bedeutung der "Berliner Illustrirten Zeitung" für die Entwicklung des Fotojournalismus würdigt Enno Kaufhold. Ute Schneider beschreibt die Rolle des Buchverlags in der "Vermarktungskette" des Ullstein-Verlags. Weitere Kapitel befassen sich mit der Werbung für Zeitungen und Zeitschriften und mit modernen Zeitschriftenkonzepten, die bei Ullstein entwickelt wurden. Drei Beiträge sind den Auswirkungen der NS-Zeit auf das Haus Ullstein und seine Mitarbeiter gewidmet. Ein Text aus dem Nachlass Peter de Mendelsohns über amerikanische Lizenzpolitik leitet über zum Abschnitt über die Verlagsepoche bis 2002. Hier stammen die Beiträge überwiegend von Mitgliedern des Verlagshauses Springer. So beschreibt Peter Tamm (ehem. Vorstandsvorsitztender der Springer AG) die Rettung des Hauses Ullstein durch Axel Springer. Friede Springer betont in einem Interview die freundschaftlichen Beziehungen der Ullsteins und Springers. Rainer Laabs thematisiert die Berliner "Bodenhaftung" der Ullstein-Zeitungen.
    Das Kapitel des Zeitungswissenschaftlers Hans Bohrmann über Berliner Medien und die Studentenbewegung fällt hier - in positiver Hinsicht - etwas aus der Reihe. Hier wird unter anderem die Rolle der damaligen Berliner Publizistikwissenschaft in der Debatte um die Pressekonzentration beleuchtet.

    Alles in allem ein Jubiläumsband, der die Selbstdarstellung stärker in den Vordergrund stellt als die vorausgegangene Publikation 1977. Mit einer Reihe lesenswerter Beiträge - vor allem zur Epoche vor 1945 - wird die bereits dokumentierte Verlagsgeschichte um weitere Aspekte ergänzt.
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